Peerberatung: Was ist das und wo gibt es was?

Peerberatung – Begegnung auf Augenhöhe

In den letzten Jahren hat sich das Angebot der Peerberatung für Menschen mit psychischen Verwundungen und Behinderung stark ausgeweitet. Als Peerberatung bezeichnet man allgemein ein Gesprächsangebot von Personen, die dasselbe Merkmal tragen bzw. sich in derselben Lebenssituation befinden wie die Ratsuchenden. Die Gemeinsamkeit kann z. B. das Alter, eine Erkrankung oder Migrationserfahrung sein. Im Kontext von psychischen Verwundungen hat sich der Begriff Peerberatung etabliert, während bezogen auf Menschen mit Behinderung häufig auch von Peer counseling gesprochen wird.

Seit über zehn Jahren beraten Engagierte aus Leipziger Depressions-Selbsthilfegruppen in der Selbsthilfekontakt- und Informationsstelle Betroffene von Depressionen und ihre Angehörigen. Dabei können die Berater*innen sowohl auf ihre eigene Erfahrung im Umgang mit der Depression wie auch auf die langjährige Beratungspraxis zurückgreifen. Menschen mit Depressionen finden auch im Gutshof Stötteritz e. V. Unterstützung durch eine Selbsterfahrene. Eine Übersicht über alle aufgeführten Peerberatungsangebote in Leipzig finden Sie unter diesem Artikel.

Peerberater*innen begegnen den Ratsuchenden auf Augenhöhe, haben ein tiefes Verständnis für die Herausforderungen, die das Leben mit einer psychischen Verwundung mit sich bringt und können hilfreiche Ideen einbringen, wie Betroffene mit schwierigen Situationen und Verhaltensweisen umgehen können. Durch ihren eigenen Genesungsweg sind sie auch oft gute Lotsen durch das Hilfesystem. Das Erleben, dass eine psychische Krise überwunden werden kann, vermittelt Hoffnung und kann ermutigen, auf dem eigenen Weg weiterzugehen.

Das Angebot der Peerberatung hat sich in Leipzig mittlerweile über das Thema Depression hinaus ausgeweitet. So bietet die Boot gGmbH einmal wöchentlich eine Sprechstunde für Menschen mit jedweder psychischer Verwundung an. Auch im Verbund gemeindenahe Psychiatrie bekommen Betroffene und ihre Angehörige Unterstützung von Psychiatrieerfahrenen. Sie haben eine Ausbildung als EX-IN-Genesungsbegeiter*in. Dies ist eine EU-weite Qualifizierung für Menschen, die psychische Krisen durchlebt haben.

Im Rahmen der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wurde in Deutschland 2018 die ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) etabliert, ein Beratungsangebot für Menschen mit Behinderung. Sie soll Ratsuchende ermutigen und ermächtigen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen, ihr Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl zu stärken und zu mehr Unabhängigkeit von der Unterstützung durch Dritte zu gelangen. Auch hierbei handelt es sich in der Regel um Peerberatung. In Leipzig hat der offene Dialog e. V. den Schwerpunkt nicht sichtbare Behinderung. Hier arbeiten Menschen mit Psychiatrieerfahrung. Sie haben Expertise im Leben mit Essstörung, mit Assistenz oder mit dem Phänomen Stimmenhören und können gut zu verschiedenen Therapieformen beraten. Die Berater*innen von Luna e. V. sind auf das  Thema Autismus spezialisiert und im Verein Leben mit Handicaps e. V. sind Eltern mit Behinderung besonders gut aufgehoben. Hier arbeiten sowohl Menschen mit Behinderung als auch ihre Angehörigen in der EUTB. Grundsätzlich kann man sich unabhängig vom Anliegen und Behinderungsform gleichermaßen an alle EUTBs wenden.

Speziell auf die Beratung von Angehörigen und Freunden von Menschen mit psychischen Verwundungen hat sich der Verein Wege e. V. ausgerichtet. Hier haben die Peers selbst einen psychisch verwundeten Angehörigen und kennen sich daher mit den praktischen und emotionalen Herausforderungen aus, die es im Alltag zu bewältigen gilt, wenn Partner, Kind, Mutter etc. psychisch auffällig werden.

Anmerkung: Ich verwende hier den Begriff psychische Verwundung statt psychisch krank, da ich weder mich noch andere für krank halte. Ich sehe die sogenannten Symptome als Überlebensstrategie der Seele, um mit überfordernden innerlichen oder äußeren Umständen umzugehen, für die noch keine bessere Lösung zur Verfügung steht.

© Claudia Buntzel